Kultur und Gesellschaft (Version 2014)

Auslaufender Studiengang

Inhalte

„Alltagskultur“, „Kulturlandschaft“, „Multikultur“, „Interkultur“, „Organisationskultur“, „Unternehmenskultur“, „Subkultur“, „Fankultur“, „Popularkultur“, „Diskussionskultur“, „Kulturkampf“, „Leitkultur“ – all diese Begriffe verweisen auf die Allgegenwärtigkeit des Terminus „Kultur“ in unserer Gesellschaft. Wenngleich das Wechselspiel von Kultur und Gesellschaft für die Soziologie seit jeher eine zentrale Rolle spielt – zu denken ist z.B. an die Arbeiten von Max Weber, Emile Durkheim oder Georg Simmel – lässt sich gegenwärtig eine zunehmende Relevanz kultursoziologischer Ansätze beobachten.  Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung, die auch als „Cultural Turn“ in den Sozialwissenschaften bezeichnet wird, möchte die Forschungsspezialisierung „Kultur und Gesellschaft“  in umfassender Weise grundlegende Theorien, Methoden sowie aktuelle Forschungsprobleme der Kultursoziologie vermitteln.

Was aber ist überhaupt mit „Kultur“ gemeint? In einem weiten Sinn bezeichnet „Kultur“ die in einer Gesellschaft relevanten Sinnstrukturen, Bedeutungsmuster und Wissensordnungen, die sozialem Handeln zugrundeliegen und in denen die symbolische Dimension von Dingen, Institutionen, Handlungen oder sozialen Beziehungen zum Ausdruck kommt. Grundlegend für diese spezifisch kultursoziologische Perspektive ist die Vorstellung von sozialer Wirklichkeit als einer untrennbar aus sozialstrukturellen und kulturellen Elementen zusammengesetzten Einheit, womit sowohl der sozialen Bedingtheit von Kultur als auch der kulturellen Bedingtheit des Sozialen Rechnung getragen wird. Kultursoziologie wird demnach nicht auf eine „Bindestrich-Soziologie“ reduziert, sondern stellt vielmehr eine allgemeine Betrachtungsweise des Sozialen dar.
Darüber hinaus werden unter „Kultur“ in einem engeren Sinne die künstlerischen und ästhetischen Hervorbringungen spezifischer Symbolsysteme verstanden: Musik, Literatur, bildende und darstellende Kunst oder Mode bilden sogenannte „Art Worlds“, die in Hinblick auf Charakteristika der Produktion, Distribution und Rezeption unter besonderer Berücksichtigung ökonomischer, technologischer und medialer Transformationsprozesse untersucht werden können.

Das Repertoire theoretischer Perspektiven, die im Rahmen der Forschungsspezialisierung „Kultur und Gesellschaft“ behandelt werden, umfasst genuin soziologische Ansätze wie z.B. interpretativ-phänomenologische Kulturtheorien (z.B. Berger/Luckmann, Goffmann), praxisorientierte Kulturtheorien (z.B. Bourdieu), kapitalismuskritische Theorien (z.B. Sennett, Boltanski/Chiapello) und Theorien der US-amerikanischen Kultursoziologie (z.B. Peterson, Lamont) ebenso wie transdisziplinäre Zugänge der Geschlechterforschung, der Cultural Studies, der Postcolonial Studies oder der Governmentality Studies.

In methodischer Hinsicht liegt der Schwerpunkt im Bereich der qualitativen Sozialforschung, wobei insbesondere hermeneutischer bzw. rekonstruktiver Methodologie ein besonderer Stellenwert beigemessen wird. Zur Anwendung kommen Datenerhebungsmethoden wie teilnehmende Beobachtung, Interview und Gruppendiskussion; die Bandbreite an Auswertungstechniken reicht von sequenzanalytischen Vorgehensweisen der Text-, Bild- und Artefaktanalyse bis hin zu Kodierverfahren in der Tradition der Grounded Theory.

Thematisch werden im Rahmen der Forschungsspezialisierung „Kultur und Gesellschaft“ eine ganze Reihe unterschiedlicher Problemstellungen behandelt. Hier eine Übersicht über die aktuellen Themenbereiche (Anmerkung: Themenbereiche ändern sich je nach aktuellen Forschungsprojekten und Arbeitsschwerpunkten der Lehrenden):

  •  Kultur und soziale Ungleichheit (z.B. Geschmackskulturen, Lebensstile und soziale Ungleichheit)
  • Kultur und Ökonomie (z.B. kulturelle Dimension migrantischer Ökonomien)
  • Kultur und Migration/Ethnizität (z.B. interpretative Migrationsforschung)
  • Kultur und Geschlecht (z.B. kritische Männlichkeitsforschung)
  • Kultur und Medien (z.B. bildförmige Realitätsrepräsentationen)
  • Kultur und Religion (z.B. Soziologie religiöser Gruppen)
  • Kultur und Emotionen (z.B. Analysen zur Historizität und Kulturalität von Emotionen)
  • Kunst-, Musik- und Modesoziologie (z.B. Transformationsprozesse durch neue Technologien)

Ziele

Die Forschungsspezialisierung „Kultur und Gesellschaft“ bietet Studierenden die Möglichkeit zur vertiefenden Auseinandersetzung mit Theorien, Methoden und Forschungsproblemen der Kultursoziologie. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der aktiven und kreativen Forschungsarbeit: Unter Anleitung der LehrveranstaltungsleiterInnen werden Forschungsfragen im Themenfeld „Kultur und Gesellschaft“ entwickelt und/oder bearbeitet. Darüber hinaus erhalten Studierende einen Einblick in laufende Forschungsprojekte des Instituts bzw. der Lehrenden sowie einen Überblick über aktuelle Debatten der Kultursoziologie. Masterstudierende sollen zudem ermuntert werden, in diesem Themengebiet ihre Abschlussarbeit zu verfassen.

Basisliteratur

Monografien und Sammelbände

Stephan Moebius (2009): Kultur. Einführung in die Kultursoziologie. Bielefeld: transkript

Stephan Moebius / Dirk Quadflieg (Hg.) (2006): Kultur. Theorien der Gegenwart. Wiesbaden: VS

Andreas Reckwitz (2008): Unscharfe Grenzen. Perspektiven der Kultursoziologie. Bielefeld: transkript

Philip Smith / Alexander Riley (2009): Cultural Theory. An Introduction. Malden / Oxford: Blackwell

Monika Wohlrab-Sahr (Hg.) (2010): Kultursoziologie. Paradigmen – Methoden – Fragestellungen. Wiesbaden: VS

 

Artikel aus wissenschaftlichen Fachzeitschriften und Sammelbänden

Wendy Griswold (2005): The Sociology of Culture. In: Craig Calhoun / Chris Rojek / Bryan Turner (eds.): The Sage Handbook of Sociology. London et al.: Sage, 266–254

Gabriele Klein (2002): Kultur. In: Hermann Korte / Bernhard Schäfers (Hg.): Einführung in Hauptbegriffe der Soziologie. Opladen: Leske + Budrich, 229–249

Klaus Lichtblau (2001): Soziologie als Kulturwissenschaft? Zur Rolle des Kulturbegriffs in der Selbstreflexion der deutschsprachigen Soziologie. In: Soziologie. Forum der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 1/2001, 5–21

Friedrich H. Tenbruck (1979): Die Aufgaben der Kultursoziologie. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 31. Jg., Heft 3, 399–421

Karl-Siegbert Rehberg (1986): Kultur versus Gesellschaft? Anmerkungen zu einer Streitfrage in der deutschen Soziologie. In: Friedhelm Neidhardt / M. Rainer Lepsius / Johannes Weiss (Hg.): Kultur und Gesellschaft (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Sonderheft 27). Opladen: Westdeutscher Verlag, 92–115