Friedhelm Kröll verstorben

08.08.2023

Friedhelm Kröll lehrte über mehr als zwei Jahrzehnte bis 2014 regelmäßig als Gast- und Honorarprofessor am Institut für Soziologie der Uni Wien. Mit großem Bedauern mußten wir von seinem Ableben erfahren. Ein Nachruf von Karin Stögner.

Nachruf für Friedhelm Kröll

Am 27.07.2023 haben wir mit Friedhelm Kröll einen lieben Freund, engagierten Mentor und geschätzten Kollegen verloren. 1945 in Tirschenreuth in der Oberpfalz geboren, studierte Kröll Kunstgeschichte, Soziologie, Politologie und Kommunikationswissenschaften an den Universitäten Freiburg, Wien, Erlangen-Nürnberg. Nach Promotion und Habilitation wirkte er an verschiedenen deutschen Universitäten, von 1990 bis 2014 als Dozent, Gast- und Honorarprofessor am Institut für Soziologie der Universität Wien. Die Breite von Friedhelm Krölls Arbeiten reichte von Gesellschaftstheorie in der Nachfolge der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule über Kultur-, Religions- und Politische Soziologie bis hin zur Sozialphilosophie. Sein Werk umspannte Relektüren von Nietzsche, Durkheim, Simmel und Weber bis Adorno – alle stets gegen den Strich gelesen. Diese Arbeiten verbindet das geduldige Bemühen, die Kräfte zu verstehen, welche die moderne Welt formen und verschleiern. Seine Vorlesungen und Seminare am Institut für Soziologie der Universität Wien waren für Generationen von Studierenden prägend: in ihrer Intensität, der Tiefe der Auseinandersetzung, der herantastenden und rettenden Kritik.

 

Ich selbst habe in den 1990er Jahren in Wien Soziologie studiert und Friedhelm Kröll als faszinierenden Lehrer kennengelernt. Beeindruckt von seiner intellektuellen Großzügigkeit und dem intellektuellen Austausch auf Augenhöhe, habe ich bei ihm meinen Abschluss gemacht und auch promoviert. Während er einerseits Professor alter Schule war, der die Diskussionen aus dem Seminar ins gesellige Zusammensitzen bei Kaffee oder gerne auch einem Glas Wein nach dem Seminar in der Gruppe fortzusetzen wusste, war er gleichzeitig auch seiner Zeit voraus, was sich insbesondere in der bewussten Förderung von Frauen und Migrant:innen in der Wissenschaft zeigte – in einer Zeit, als die Fachwissenschaft Soziologie und hier insbesondere die Gesellschaftstheorie nach wie vor männlich und weiß geprägt war. Darin folgte er seiner politischen Überzeugung, dass in der Gesellschaft, die wir kritisieren, gleichzeitig ein Werdendes liegt, das emanzipatorisch freigelegt zur qualitativen Veränderung führen kann.

 

Friedhelm Krölls Werk umfasst neben zahlreichen Aufsätzen auch mehrere Monographien, darunter „Gruppe 47“, „Bauhaus 1919-1933“ oder „Die Archivarin des Zauberers – Ida Herz und Thomas Mann“. Auch als Autor von Einführungsbüchern hat Friedhelm Kröll sich verdient gemacht: mit „Soziologie: Im Labyrinth der Modelle“ und „Einblicke. Grundlagen sozialwissenschaftlichen Denkens“ gab er vielen Studierenden eine umsichtige Orientierung. Auf Grundlage der „Einblicke“ haben Friedhelm und ich schließlich in schöner und vertrauter Zusammenarbeit ein weiteres Einführungsbuch verfasst: „Sozialwissenschaftliche Denkweisen. Eine Einführung“. Eine seiner großen Leidenschaften aber waren szenische Lesungen von Autoren wie Franz Mehring, Karl Kraus oder Erich Mühsam, die er in Nürnberg hielt.

Friedhelm Kröll war ein Freund, Mentor und eine große Inspiration für uns in vielerlei Hinsicht. Er wird uns sehr fehlen.


Karin Stögner, Professorin für Soziologie an der Universität Passau