Arbeit, Organisation und Politik im gesellschaftlichen Wandel

Inhalte

In den Gegenwartsgesellschaften ist Erwerbsarbeit für die gesellschaftliche Teilhabe, insbesondere den Status, das Einkommen und die Anerkennung der Gesellschaftsmitglieder von zentraler Bedeutung. Die Zunahme prekärer Beschäftigung, das Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit oder die vielfachen neuen Anforderungen an die Beschäftigten zeugen von einem tiefgreifenden Umbruch der Erwerbsarbeit. Die Arbeitsforschung untersucht insbesondere den Wandel von Arbeitsformen und Arbeitsbeziehungen, die Arbeitsbelastungen und Gesundheitsfolgen, die Anerkennungs-verhältnisse und die subjektiven Bezüge zur Arbeit. Das Geschlechterverhältnis findet dabei insbesondere in Form der vergeschlechtlichten Arbeitsteilung sowie der ungleichen Verteilung von bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Haus- und Sorgearbeit Berücksichtigung. Die dynamischen Veränderungen der kapitalistischen Ökonomien und des Erwerbslebens sowie die durch sie ausgelösten gesellschaftlichen Gegenbewegungen sind zugleich als wichtige Aspekte des sozialen Wandels anzusehen.

In diesem Kontext hören wir in der letzten Zeit vermehrt darüber, dass sich demokratische Gesellschaften im Zuge der oben genannten Entwicklungen im Wandel befinden und dass wir deshalb eine steigende gesellschaftliche Polarisierung erleben. Populistische Bewegungen gewinnen an Popularität und reflektieren die steigenden sozioökonomischen Ungleichheiten, die sich in den gesellschaftlichen Bedingungen von Arbeit, Sorge oder Gesundheit niederschlagen. Auch schafft die veränderte (politische) Kommunikation neue Organisationsformen und (Selbst)Regulierungsmechanismen im Alltag generell. Darüber hinaus spitzen sich die strukturellen Herausforderungen im Lichte der sich verschränkenden Krisen, wie etwa die Klima- und ökologische Krise, die Krise Globalisierung oder auch die Krise der Daseinsvorsorge zu, und Gesellschaften müssen neue Antworten finden.

Vor allem ist die Veränderung der (Selbst)Wahrnehmung des Individuums zum zentralen Ankerpunkt dieser Entwicklungen geworden: subjektive persönliche Gefühle sowie individuelle körperliche Wahrnehmungen beeinflussen soziale und politische Handlungen, die gesetzt werden, um unseren Alltag zu regulieren und um ihn zu verändern. Sowohl Organisationen wie auch neue Organisationsformen erscheinen als ein dynamisches Verhältnis von kollektiver Anerkennung von individuellen Handlungen. Die Regeln und Prinzipien einer solchen Dynamik können wir durch tragende soziologische Konzepte und Theorien im Bereich der Arbeitssoziologie, Organisationssoziologie sowie politischer Soziologie besser erkennen, verstehen und erklären.

Besondere Schwerpunkte der Arbeitsforschung und der Lehre auf diesem Gebiet sind am Institut die Tendenzen der Prekarisierung, die Arbeit im Gesundheitswesen, die Arbeitsmigration, Arbeitsmarktpolitik und Prozesse der Digitalisierung in Produktion und Dienstleistung, der Einsatz von Emotionen und ihre ökonomische Verwertbarkeit sowie die Verschiebungen zwischen bezahlten und unbezahlten Tätigkeiten.

An dieser Stelle setzt auch politische Soziologie an. Sie ist vorrangig daran interessiert, wie aus diesen Veränderungen des Alltags eine politische Handlung entsteht. Wie hängen gesellschaftliche Prozesse und politische Institutionen auf den verschiedenen Ebenen zusammen? Darunter fallen somit auch Fragen nach der Entstehung und Veränderung von Organisationen, sowie nach deren Funktionsweise, Zusammensetzung und Beziehungen zur Umwelt.

Solche Entwicklungen sind an breitere Prozesse gesellschaftlicher Veränderung gekoppelt, womit sich die Soziologie sozialen Wandels beschäftigt: Wohin steuern gegenwärtige Gesellschaften? Was sind Treiber von Veränderungen? Wie engagieren sich Akteur:innen, um Wandelsprozesse zu gestalten? Gegenwärtige Schwerpunkte sind die Ökonomisierung des Sozialen, ökologische Herausforderungen oder auch die Care-Arbeit und intersektionale Ungleichheiten inklusive widerständischer wie auch individueller Gesundheitspraktiken.

Ziele

In der Forschungsspezialisierung "Arbeit, Organisation und Politik im gesellschaftlichen Wandel" haben Studierende die Möglichkeit, sich umfassendes Basis- und Spezialwissen über die breiten Themenfelder der Arbeitssoziologie, der Politischen Soziologie und der Soziologie sozialen Wandels anzueignen, wobei sie darin unterstützt werden, eigenständig zu arbeiten, kreative Ideen zu entwickeln und eine breite Palette an Forschungsmethoden auszuprobieren. Sie erhalten Einblick in laufende Forschungsprojekte und beschäftigen sich mit aktuellen Fragestellungen. Masterstudierende haben die Möglichkeit, in diesen Themenbereichen Abschlussarbeiten zu verfassen. Nach Möglichkeit werden Masterarbeiten in Forschungs­projekte am Institut eingebunden. 

Im Einzelnen bietet die Forschungsspezialisierung:

• Vorlesungen zur Arbeitssoziologie, Politischen Soziologie, Organisationen, Struktur und Entwicklung der Gegenwartsgesellschaft im globalen Kontext und Soziologie sozialen Wandels

• Seminare (bzw. integrierte Lehrveranstaltungen) zu ausgewählten inhaltlichen Schwerpunktsetzungen sowie zur Vertiefung der Methodenkenntnisse

• Lehrforschungsprojekte in den Themenbereichen

• Betreuung von Masterarbeiten

• Betreuung von Dissertationen

Basisliteratur

Edwards, Richard, Herrschaft im modernen Produktionsprozess, Frankfurt: Campus, 1981.

Flecker, Jörg, Arbeit und Beschäftigung. Eine soziologische Einführung, Wien: UTB/Facultas 2017

Flecker, Jörg, Arbeit. In: Flicker, Eva; Forster, Rudolf (Hrsg.): Forschungs- und Anwendungsbereiche der Soziologie, Wien: Facultas, 2013, S. 46 – 61

Flecker, Jörg (Hg.), Arbeit in Ketten und Netzen. Die dynamischer Vernetzung von Unternehmen und die Qualität der Arbeit, Berlin: edition sigma, 2012.

Froschauer, Ulrike, Organisationen. In: Flicker, Eva; Forster, Rudolf (Hrsg.): Forschungs- und Anwendungsbereiche der Soziologie, Wien: Facultas, 2013, S.203 – 218

Froschauer, Ulrike, Organisationen in Bewegung. Beiträge zur interpretativen Organisationsanalyse, Wien: Facultas, 2012.

Luhmann, Niklas, Funktionen und Folgen formaler Organisation, Berlin: Dunckler&Humblot, 1976 (1964).

March, James, G., Simon, Herbert A., Organizations, Oxford: Blackwell, 1993 (1958)

Marx, Karl, Das Kapital, Kritik der politischen Ökonomie, Erster Band, Wien: Globus Verlag, 1962 (1890).

Mayntz, Renate, Soziologie der Organisation, Reinbek: Rowohlt, 1972 (1963).

Minssen, Heiner, Arbeits- und Industriesoziologie. Eine Einführung, Frankfurt/New York: Campus, 2006.

Thompson, Paul, The Nature of Work. An Introduction to Debates on the Labour Process, Basingstoke/London: Palgrave-MacMillan, 1983.

Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, Tübingen: Morh 1972 (1922).